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DIAKOVERE ehrt ehemaligen Chefarzt mit medizinischem Zentrum für Erwachsene mit Behinderung

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Ruth Hübotter (Hannover. Sie kannte Bruno Valentin noch persönlich), Dr. Stephan Martin, Lisa Duprey (Kanada), Prof. Dr. Andreas Valentin (Brasilien) (v.l.n.r.)

Ein Lebenswerk, das Generationen überdauert – es gibt nicht viele Menschen, die solch eine Leistung vollbringen. Einer von diesen Menschen ist der Orthopäde Prof. Dr. Bruno Valentin (†1969). Um sein Wirken in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu ehren, benennt das hannoversche Gesundheits- und Sozialunternehmen DIAKOVERE sein neu gegründetes Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) am Standort DIAKOVERE Annastift nach dessen ehemaligem jüdischen Chefarzt (1924 bis 1936). Valentin, jüdischer Abstammung, wurde unter dem NS-Regime entlassen und von der Gestapo misshandelt und emigrierte mit seiner Frau Martha 1939 nach Brasilien.

Zur Vorstellung des Bruno-Valentin-Instituts am 17. Mai reisten Valentins Enkel Lisa Duprey (Kanada) und Prof. Dr. Andreas Valentin aus Rio de Janeiro an. In seinen Grußworten an die Gäste des Symposiums nahm Andreas Valentin Bezug auf Wirken und Schicksal des Arztes, der 1967 versöhnt nach Hannover zurückkehrte und dort zwei Jahre später starb: „Bruno Valentin hat es geschafft, die Bände der Welt wieder zu knüpfen und Hürden zu überwinden. Und hier, im Medizinischen Zentrum für Erwachsene mit Behinderung, in diesem Exzellenzzentrum, welches nun seinen Namen trägt, werden unzählige Menschen ihre Not überwinden und ihre Lebensqualität sowie die ihrer Familien verbessern können.“

Mit dem Bruno-Valentin-Institut schließt DIAKOVERE eine große Versorgungslücke: Erwachsene Menschen mit geistiger oder komplexer Mehrfachbehinderung waren bisher auf das überschaubare Spezialwissen im System niedergelassener Ärzte angewiesen. Am 9. Mai nahm das MZEB in Hannover-Kleefeld seine Arbeit auf. Das Bruno-Valentin-Institut ist deutschlandweit eines der ersten seiner Art. „Momentan haben wir etwa vier bis fünf Patienten in der Woche und finden uns in der für uns neuen interdisziplinären Arbeit schon gut zurecht“, sagt der Leiter des Zentrums, Dr. Stephan Martin.

Ein MZEB ist das Gegenstück zu Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), in denen Minderjährige mit Behinderungen behandelt werden. Im Sommer 2015 reagierte der Gesetzgeber auf die fehlende multiprofessionelle Versorgung für volljährige Betroffene und schaffte die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung dieser spezialisierten medizinischen Zentren. Das Bruno-Valentin-Institut zeichnet sich dadurch aus, dass Orthopäden, Internisten, Urologen, Neurologen und Psychiater mit Ergo- und Physiotherapeuten, dem Sozialdienst, einem Darm- sowie einem Casemanagement Hand in Hand arbeiten. Eine Aufnahme im MZEB erfolgt auf eine Überweisung eines Haus- oder Facharztes oder eines Sozialpädiatrischen Zentrums. Die Betroffenen müssen einen Behinderungsgrad von mindestens 70 Prozent, ein so genanntes Merkzeichen sowie mit einer mit der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbarten Diagnoseliste aufweisen.

Bis zur Inbetriebnahme war es ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist. Die Kassenärztliche Vereinigung vergab die Zulassung zum 1. April 2016. Seitdem laufen Gespräche zwischen DIAKOVERE und den Kassen über Finanzierung und Interpretation des Aufgabenfelds. Während das Annastift direkt mit der multiprofessionellen und interdisziplinären Behandlung einsteigen wollte, forderten die Kassen hauptsächlich Beratungs- und Koordinationsleistungen. Eine Schiedsstelle sprach DIAKOVERE im Frühjahr eine „nicht ganz auskömmliche Finanzierung“ (Dr. Martin) zu. „Damit können wir endlich starten, weil wir die fehlenden Mittel aus Stiftungsgeldern finanzieren“, sagt der Zentrumsleiter. Mit den Kassen gebe es weiterhin regelmäßige Treffen. „Die Gesprächsbereitschaft ist da, die Positionen liegen allerdings noch auseinander“, so Martin.

Für DIAKOVERE ist sein MZEB ein Leuchtturmprojekt. „Es ist das erste Geschäftsbereich übergreifende Konzept, das das breit aufgestellte Fachwissen der Behindertenhilfe im DIAKOVERE Leben und Lernen mit dem medizinischen Knowhow der Kliniken verknüpft“, sagte Martin – Orthopäde und Landesarzt für Körperbehinderte. In Zusammenarbeit mit dem SPZ Hannover bietet er zusätzlich eine Übergangssprechstunde für Betroffene ab dem 17. Lebensjahr an. „So können wir die Versorgungskontinuität gewährleisten.“

Der Namensgeber des Zentrums, Prof. Dr. Bruno Valentin (20. September 1885 bis 15. Oktober 1969), war von 1924 bis 1936 Chefarzt im Annastift. Auf Druck der Nationalsozialisten entließ das Annastift seinen Chefarzt 1936 aufgrund seiner jüdischen Abstammung. 1938 wurde Valentin von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im Zuge seiner Emigration misshandelt. Im Januar 1939 reisten Valentin und seine Frau Martha schließlich nach Brasilien aus, wo er nicht wieder in seinem Beruf arbeiten konnte. Die Familie lebte bis 1967 in Rio de Janeiro, wo Valentin das bis heute gültige Kompendium „Geschichte der Orthopädie“ verfasste. Valentin, der 1965 das Bundesverdienstkreuz erhielt, kehrte zwei Jahre später mit der Hilfe von Freuden nach Hannover zurück. Er starb am 6. April 1969.

 
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