Aus Neustadt geht über die Notrufnummer 112 in der Regionsleitstelle ein Notruf ein. Die Anruferin berichtet über einen Patienten mit akuten „Herzschmerzen und Luftnot“. Die Regionsleitstelle alarmiert einen nahegelegenen Rettungswagen und zusätzlich ein Notarzteinsatzfahrzeug. Die Notärztin diagnostiziert im EKG einen akuten Herzinfarkt und erfragt in der Regionsleitstelle die verfügbaren Kliniken mit einem „Herzkatheter“ und Intensivbehandlungsmöglichkeit. Den Überblick über Ausstattung und Auslastung der Kliniken hat die Leitstelle dank der Software IVENA sofort auf dem Bildschirm und kann danach auswählen, welches Krankenhaus angesteuert wird. Über IVENA wir zudem die entsprechende Klinik voralarmiert. Zusätzlich kündigt die Notärztin den Patienten beim diensthabenden Kardiologen direkt an. Die Klinik bereitet sich schon während der Anfahrt der Rettungsmittel vor, und der Patient wird vom Rettungsdienst nun direkt im Herzkatheter-Untersuchungsraum übergeben: Lückenlos und ohne Zeitverzögerung beginnt die lebensrettende klinische Diagnostik und Therapie.
Schnellere Versorgung von Patienten
Dank der Softwarelösung IVENA hat die Regionsleitstelle das jetzt alles im Blick. Das heißt: Rettungswagen werden grundsätzlich in die Kliniken geschickt, die zum jeweiligen Zeitpunkt - als ein wichtiger Zuweisungsfaktor – über die besten Versorgungskapazitäten verfügen. Belastungen der Notaufnahmen werden frühzeitig visualisiert. „Ein Riesenfortschritt“ – darin sind sich alle Beteiligten einig. Das System führe zwar nicht dazu, dass das Patientenaufkommen geringer werde. Notfallpatienten könnten jedoch besser gesteuert und so schneller versorgt werden. „Durch die Rettungskette vom Notruf bis zur Klinik“ wird eine optimale Versorgung der Notfallpatienten ermöglicht und gesichert“, sagt Dr. Andreas Flemming, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der Landeshauptstadt Hannover.
So wie in dem Beispiel mit dem Herzkatheter gibt es in IVENA einen Überblick über alle relevanten Fachgebiete und Funktionseinheiten. Dies umfasst unter anderem die Innere Medizin mit allen Subspezialisierungen wie Kardiologie oder Gastroenterologie, die Unfall- und Allgemeinchirurgie, die Neurochirurgie, Neurologie, Urologie, Gynäkologie, Intensivstationen, Schockräume, Endoskopie, Herzkatheterlabore, CT- und MRT-Einheiten sowie die Stroke-Unit.
15 Kliniken in der Region sind angeschlossen
In Hessen ist IVENA bereits flächendeckend eingeführt. In Niedersachsen waren Landeshauptstadt und Region Hannover mit ihrem gemeinsamen Pilotprojekt nach dem Heidekreis die ersten Nutzer. Insgesamt 15 Kliniken aus der Region Hannover haben sich angeschlossen: die MHH, die sieben somatischen Krankenhäuser der KRH GmbH, DIAKOVERE mit drei Häusern sowie das Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT, das Clementinenhaus, das Vizenzkrankenhaus und die Paracelsus-Klinik. Das IVENA-Projekt Hannover hat die meisten angeschlossenen Standorte im Vergleich zu anderen Regionen in Niedersachsen. „Früher haben die einzelnen Krankenhäuser die Leitstelle per Fax informiert, wenn Stationen stark belastet oder zum Beispiel wegen Umbaus geschlossen waren“, sagt Dr. Andreas Flemming. „Jetzt hat die Leitstelle alles auf dem Schirm – im wahrsten Sinne des Wortes.“
Öffentliche Ansicht im Internet
Das gilt auch für die Notaufnahmen der hannoverschen Kliniken: Auf Bildschirmen wird angezeigt, welche Rettungsmittel auf dem Weg zum Standort sind, wann sie eintreffen und wie dringend die Behandlung ist. Bei Patienten mit höchster Dringlichkeitsstufe rufen Notarzt bzw. Notärztin oder Notfallsanitäter zudem an, um die Versorgungskette zur lückenlosen Weiterbehandlung abzusichern. „IVENA schafft eine deutliche Transparenz der aktuell vorhandenen Versorgungskapazitäten“, erklärt Dr. Jens Albrecht, Ärztlicher Direktor des Vinzenzkrankenhauses, Leiter der Zentralen Notaufnahme und Sprecher der Kliniken in der AG IVENA. „Aus Sicht der Kliniken hat es untereinander zu einer verbesserten Kommunikation geführt, die letztendlich der Patientenversorgung zugute kommt.“
Mit der Anschaffung von IVENA war auch die Absicht verbunden, eine öffentliche Ansicht ins Internet zu stellen. Das wird jetzt umgesetzt: Künftig haben auch Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, einen Teil der Daten einzusehen – im Sinne höherer Transparenz. Grundsätzlich gilt: Wenn die Situation nicht lebensbedrohlich ist, erst zum Hausarzt oder ärztlichen Bereitschaftsdienst! Der entscheidet dann, ob eine Abklärung seines Verdachtes in einem Krankenhaus notwendig ist. Mit einem Vorurteil räumt Dr. Flemming in dem Zusammenhang auch auf: „Notaufnahmen werden grundsätzlich nicht abgemeldet oder gar geschlossen.“