Kinder- und Neuroorthopädie im Annastift

Schädeldeformitäten

Sprechstunde für Schädeldeformitäten

Liebe Eltern, liebe Interessierte,

Im Annastift hat sich seit Ende 2007 im Department Kinder- und Neuroorthopädie eine spezielle „Helmsprechstunde“ etabliert.

Es werden Säuglinge mit Schädelformen vorgestellt, die aus der „Norm“ fallen.

Seit den 1990er Jahren hat sich weltweit das Auftreten von lagebedingten Schädeldeformitäten enorm erhöht. Zu dieser Zeit wurde erkannt, dass der plötzliche Kindstod, dessen Ursache weiterhin unklar ist, in Rückenlage wesentlich seltener auftritt als in jeder anderen Position. Es wird daher eindringlich empfohlen, junge Säuglinge ausschließlich auf dem Rücken schlafen zu lassen.

Manchmal mögen Kinder gar nicht gerne in Bauchlage gebracht werden, wenn sie in den ersten Tagen und Wochen fast nur auf dem Rücken gelegen haben.

Die Lagerungsempfehlung gilt nur für das schlafende Kind, denn der Plötzliche Kindstod kommt nur im Schlaf. Das wache Kind darf im Prinzip von Anfang an auf der Seite oder auf dem Bauch liegen, sollte zum Schlafen aber stets wieder auf den Rücken gedreht werden.

Manches Kind erleidet als Nebeneffekt einer vorwiegenden Rückenlagerung eine Schädelverformung: der Hinterkopf kann global symmetrisch abplatten (Brachyzephalus) oder bei „Vorzugshaltung“ einseitig abflachen (Plagiozephalus). Da eine Asymmetrie gg. auch das Gesicht und die Schädelbasis betreffen kann, ist diese unter medizinischen Aspekten oftmals bedeutsamer bzw. behandlungsbedürftiger.

Unter der These, dass ein völlig gesundes Kind alleinig aufgrund der Rückenlage-Empfehlung keine relevante Schädelverformung entwickeln wird, dient die Sprechstunde v.a. auch dazu, die Störfaktoren beim einzelnen Kind aufzufinden und (sofern möglich) zu behandeln.

Die zugrundeliegenden Problemstellungen sind mannigfaltig und erfordern gg. verschiedene Maßnahmen und ein multidisziplinäres Vorgehen.

Wenige der von lagebedingter Schädelverformung betroffenen Kinder konnten bis zur Erstvorstellung eine ungestörte motorische Entwicklung nehmen, daher bieten fast alle diese kleinen Patienten eine mehr oder wenige starke motorische Entwicklungsverzögerung.

Asymmetrie verhindert offenbar ein gesundes Heranwachsen.


Kraniosynostosen

Anders präsentieren sich die kleinen Patienten mit einer Schädelnaht-Problematik, die angeboren ist und wesentlich seltener vorkommt. Diese Kinder agieren zumeist altersentsprechend, sofern keine Grunderkrankung  (z.B. ein Syndrom) vorliegt.

Die verschiedenen Schädelnähte können einzeln oder auch in variabler Kombination betroffen sein, wodurch sich charakteristische Schädelformen ergeben. Daher ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der Regel eine Blickdiagnose möglich.

Die Verformung durch eine prämature (verfrühte) Schädelnahtsynostose (Verwachsung) ist grundsätzlich nicht mit einem Helm behandlungsfähig.


Die lagebedingten Schädeldeformitäten

können hingegen sehr gut von einer Helmtherapie profitieren und sich im günstigsten Fall durch diese Unterstützung zu einer perfekten Schädelform zurechtwachsen.

Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Versorgung mit einem optimal angepassten Helm, der im Behandlungsverlauf nachgearbeitet werden muss
  • adäquater Schädelvolumenzuwachs, weshalb die Säuglinge bei Beginn nicht zu „alt“ sein dürfen
  • konsequentes Helmtragen über die erforderlichen Monate sowohl am Tag als auch in der Nacht, bis auf eine einzige Stunde täglich, die für die Reinigung von Kopf und Helm benötigt wird

Für die Helmtherapie gilt: „Alles oder Nichts“

Ein Teilzeit-Tragen eines Helmes verhindert nicht nur den Erfolg der Therapie, sondern kann sogar Schäden verursachen. Bereits nach wenigen Tagen des unregelmäßigen Aufsetzens eines Helmes, in denen der Kopf ungelenkt weitergewachsen ist, liegt der Helm nicht mehr genau dort an, wo er sollte. Daher entstehen schlechter Helmsitz und Druckstellen.

Die Therapie ist bei Incompliance (mangelnder Mitarbeit von Patient bzw. dessen Familie) zum Scheitern verurteilt.

Daher sollte eine Familie diese ziemlich spezielle Therapieform nur dann beginnen, wenn alle Beteiligten absolut sicher sind, dass die Behandlung auch wirklich durchgehalten werden wird.


Unter der Harmonisierung der Schädelform per Kopforthesentherapie (neben der gewünschten Verbesserung der Schädelform) lösen sich oftmals auch weitere Probleme:

  • Da der Helm einen schiefen oder platten Schädel umfasst und den Hinterkopf wie eine gerundete Kufe umgibt, kippt der Kopf nicht mehr auf die Abplattung, sondern kann allseits leichter stabilisiert und gewendet werden.
  • Schiefhalshaltungen werden somit vermindert und ein eigenständiges unbewusstes Training ermöglicht.
  • Bei allmählicher Rückbildung einer Schädel-„Unwucht“ kann das Kind sich letztlich leichter gerade halten.

Etliche Säuglinge, die erstmals in der Helmsprechstunde vorgestellt werden, bieten gravierende Probleme, die weitere Untersuchungen in unserer Abteilung oder bei anderen Fachärzten erfordern. U.U. werden völlig andere Maßnahmen als (nur) Helmtherapie nötig.

Im Folgenden können Artikel und Poster angesehen werden, die u.a. das Prinzip der Helmtherapie, Fallbeispiele sowie Ursachen von lagebedingter Schädeldeformität aufzeigen. Diese Unterlagen wurden für Kinderarzt-Zeitschriften (Pädiatrie hautnah, Omnimed) bzw. Veranstaltungen erarbeitet (Jahrestagungen der Vereinigung für Kinderorthopädie, Interdisziplinärer Kongress „Focus Cerebralparese“).

Das Informationsmaterial möge dazu beitragen, dass lagebedingte Schädeldeformitäten vermieden werden können bzw. so frühzeitig adäquat „nicht-orthetisch“ behandelt werden, dass eine Helmtherapie gar nicht initiiert werden muss.

Hannelore Willenborg
Sektionsleitung Schädeldeformitäten
Fachärztin für Orthopädie
Kinderorthopädie
Chirotherapie / Atlas- und Kindermanualtherapie (ÄMKA) / Zertifikat ZiMMT-HIO-Kurs
Fachgebundene humangenetische Beratung  

Bitte klicken Sie für weitere Informationen zur Therapie von Schädeldeformitäten die nachfolgenden Bilder an.

 
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