Niklas

Niklas, die coole Socke

Kniebeuge, Unterarmstütz, Bauchübungen – viele von uns bringen diese Übungen an ihre sportlichen und körperlichen Grenzen. Der 23-jährige Niklas setzt noch eins drauf…Jetzt das Interview mit Niklas Müller als Audio-Datei hören:

Wenn man das HEYERS Sports Fitnessstudio in Hannover Bemerode betritt, wird man herzlich begrüßt. Hinter dem Empfangstresen steht ein sympathischer junger Mann in Trainingsjacke. Niklas Müller. 23 Jahre. Der gebürtige Bremer macht in dem kleinen Fitnessstudio seine verzahnte Ausbildung zum Fachpraktiker für Bürkommunikation. Soweit nichts Ungewöhnliches. „Er ist einfach ein junger, offener, lebendiger Typ. Ab und an muss etwas nachkontrolliert werden, das hat mit seiner Einschränkung zu tun“, beschreibt Inhaber Sebastian Herzberg Niklas. Welche Einschränkung? Niklas kommt hinter dem Tresen hervor. Erst jetzt bemerkt man das eigentlich Offensichtliche. Ihm fehlen beide Unterschenkel und ein Arm, er läuft auf Prothesen. Diese will er auf keinen Fall verstecken, denn mit dem, was passiert ist, hat er abgeschlossen.

Der Kampf zurück ins normale Leben

Mit 13 Jahren klettert Niklas auf den Wagon eines Zugabteils. Er fällt hin und bekommt beim Aufstehen 15.000 Volt der Hochspannungsleitung ab. Seine Unterschenkel sind verkohlt und müssen amputiert werden, genauso wie sein linker Arm. „Ich kann froh sein, dass ich die Oberleitung nicht direkt berührt habe, nur dadurch bin ich noch hier“, erzählt er heute, 10 Jahre später. Es folgen sechs Monate im Krankenhaus und über 20 Operationen. Im Anschluss lernt er in der Reha wieder laufen: „Es macht wahnsinnig viel aus, wieder laufen zu können, es war ein großer Moment für mich.“ Komplett auf einen Rollstuhl umzusteigen, kommt für ihn nicht in Frage. „Es ist schon schlimm genug, wenn ich ein bis zwei Tage pro Woche auf meinen Rollstuhl angewiesen bin, wenn ich Druckstellen oder offene Wunden am Bein habe. Das reicht mir dann schon. Das ist echt schmerzhaft.“

Bewegung statt Büro

Vor drei Jahren entscheidet sich Niklas für eine Ausbildung zum Fachpraktiker für Bürokommunikation im DIAKOVERE Annastift Berufsbildungwerk – ein Bereich, in den er wohl nur durch seine Einschränkung rutscht. Seine Betreuerin Sandra Schreier merkt schnell: „Es ist nicht das, was er wirklich möchte. Niklas ist nicht der Typ, der acht Stunden am Schreibtisch sitzt und administrativen Tätigkeiten nachgeht. Er muss sich bewegen. Ich wollte das Ganze miteinander vereinen, sodass er auch motiviert an der Ausbildung teilnimmt und diese nicht abbricht.“ Die Berufspädagogin und Ausbilderin trainiert privat im HEYERS Sports, so kommt sie mit Inhaber Sebastian Herzberg ins Gespräch, der einem Kennenlernen absolut offen und vorurteilsfrei gegenübersteht. Niklas beginnt mit einem Praktikum, welches so gut läuft, dass er in die verzahnte Ausbildung übernommen wird.

Ein ungewöhnliches Experiment

Niklas’ Aufgaben sind vielfältig: Kaufmännische Tätigkeiten im Büro gehören genauso dazu, wie das Reinigen von Geräten oder Räumen. Am Tresen ist er zuständig für alle Anliegen der Mitglieder: Er telefoniert, berät zu Verträgen und bereitet Shakes zu. Der Kundenkontakt ist genau sein Ding. Das merkt auch Sebastian Herzberg: „Das Socializen am Tresen spielt einfach eine große Rolle hier. Fitnessstudios gibt es an jeder Ecke und dann machen eben diese Nuancen den Unterschied. Niklas bereichert das Team in besonderer Weise, weil er einen anderen Background mitbringt. Er zeigt allen, dass es eben auch so geht und es keine Einschränkungen gibt, sondern man im Team voneinander lernen und die Dinge schaffen kann.“

An einem Freitag fällt eine Kollegin spontan krankheitsbedingt aus – ihr Kurs müsste ausfallen. Doch Niklas hat zu Beginn seiner Zeit im HEYERS Sports jeden Kurs mitgemacht, war bei der Erstellung von Trainingsplänen und Anamnesen dabei. Er kennt sich also bestens aus. Und so kommt es zu einem ungewöhnlichen Experiment. Sebastian Herzberg bittet Niklas, den Kurs zu übernehmen. Und der zögert keine Sekunde: „Das war Nervosität pur, gerade weil es das erste Mal war und man sich natürlich auch fragt, ob man alles richtig macht“, berichtet Niklas noch immer mit einem Schmunzeln im Gesicht. Das Feedback ist super, alle Teilnehmer sind begeistert. Man kann es auch mit den Worten von Sandra Schreier sagen: „Wir sind alle gleich, auch wenn vielleicht ein Arm oder die Unterschenkel fehlen. Wir möchten nach außen vermitteln: Es kann jeden treffen im Leben und deswegen finde ich es umso wichtiger, dass sich die Betriebe dahingehend öffnen und auch Menschen mit Beeinträchtigung einstellen.“

 
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